Donnerstag, 28. Juni 2007

27.06.2007 Lübeck, Schrangen

Heute haben wir in Lübeck gastiert. Nachdem wir in Rostock doch ziemlich nass geworden sind, waren wir schon kurz davor unsere Station in Lübeck abzusagen. Der Respekt vor den Unwetterwarnungen im Norden und die Autofahrt nach Lübeck durch Sturm und Regen überwogen sehr. Doch kurz vor Lübeck ließ der Regen nach und auf dem Schrangen angekommen, zeigte sich der Platz sehr windgeschützt. Außerdem erwartete uns bereits der Lübecker Jugendring mit einigen Freiwilligen, die uns unterstützen wollten. Also führten wir die Helfer/innen kurz in unser Programm ein und begannen mit dem Aufbau. Aus unseren Erfahrungen in Rostock schlauer geworden, luden wir nur das Nötigste aus dem Antidiskrimi- nierungsmobil aus um weitere Wasserschäden am Material zu vermeiden.


Zum ersten Mal bauten wir unseren eigenen Wahrnehmungsparcour auf, an dem die Besucher/innen Erfahrungen mit der Fortbewegung im Rollstuhl machen konnten. Er wurde sehr gut angenommen. Wie schwierig es ist sich auf ungewohnten Untergrund und bei Bordsteinkanten wie gewohnt fortzubewegen, war eine besonderes Erlebnis. Für besonders Interessierte haben wir die Rollstühle auch für kurze Ausflüge in die Fußgängerzone verliehen. Sie versuchten Türen von Kaufhäusern zu öffnen und erlebten, wie unterschiedlich die Passanten regierten. Eine außerordentliche Erfahrung war es, dass eine Behindertentoilette nicht zu befahren war, weil die Tür für Rollstuhlfahrer/innen kaum zu öffnen war.

Unsere Partner vom Lübecker Jugendring stellten ihr Projekt Disco nicht ohne Dich vor. Für Stimmung sorgte der Musiker Rasun. Er hatte mehrere Trommeln dabei und sang inbrünstig Neugierige herbei. Angelockt von den ungewohnten Klängen, probierten einige das Trommeln selber aus. Schließlich gesellte sich noch ein Straßenmusiker mit einem Akkordeon hinzu.


Unsere anfänglichen Bedenken wurden von der Begeisterung der Lübecker hinweg gefegt. Einen Wermutstropfen hatte die Station nur, da wir heute Morgen eine eingeschlagene Scheibe an unserem Antidiskriminierungsmobil entdecken mussten. Zum Glück war die schnell herbeigerufene Polizei äußerst hilfsbereit und zeigte uns den Weg zur nächsten Werkstatt.



... pünktlich zum Abschlussfoto erschien der Bürgermeister (von links)


26.06.2007 Rostock, Universitätsplatz

Die zweite Station der Antidiskriminierungstour war Rostock. Auf dem Universitätsplatz schlugen wir recht früh unser Zelt auf und waren nach einiger Zeit umringt von Ständen, buntem Treiben und Musik. Die Mitgliedsorganisationen und Partner des Rostocker Stadtjugendringes hatten einiges zu bieten. Die neugierigen Passant/innen konnten beim Zirkus Fantasia auf dem Drahtseil laufen und mit Keulen und Bällen jonglieren, im Eine-Welt-Café Saft, Schokoriegel und fair gehandelten Kaffee probieren, im Infozelt eine Ausstellung zum Thema Kinderrechte bewundern und mehr über die Möglichkeiten der Konfliktbewältigung beim Verein Balance of Power erfahren. Neben allgemeinen Informationen zu den Förderprojekten von „Alle anders – alle gleich“ stellten Aktive des Rostocker Freizeitzentrums zwei konkrete Projekte vor, die sie mit dem Kinderortsbeirat Reutershagen verwirklichten und knüpften vor Ort interessante Kontakte. Bei der Schwester Rosa-La-Ola-Grande vom Orden der Perpetuellen Indulgenz, die die schwullesbischen Jugendlichen von Rat + Tat e.V. begleitete konnten aufgeschlossene Leute Kondome und Informationen über Sexualität mitnehmen, oder im Erfahrungsparcours des Behinderten Sportverbandes die Einschränkungen nach erleben, die durch die Fortbewegung im Rollstuhl entstehen. Hier reichte das Angebot von Rollstuhlbasketball bis Degenfechten. Am Stand der Antifaschistischen Initiative Rostock konnten Interessierte ausprobieren, wie erfolgreich sie den Einbürgerungstest absolvieren.

Die motivierten Jugendlichen, die die Stände betreuten, ließen sich auch durch die immer wieder plötzlich auftauchenden Regenschauer nicht entmutigen. Schnell wurden Regenschutzplanen über die Lautsprecherboxen und Infostände gezogen und unter den Pavillons auf das nächste Wolkenloch gewartet. Mit Gas gefüllte Luftballons fliegen auch bei Regenwetter, soviel ist jetzt sicher.

Die Buttons, die im Zelt entstanden, stehen sinnbildlich für das Thema Vielfalt und zeugen von der Kreativität und dem Einfallsreichtum Jugendlicher. Marie und Crischian zum Beispiel sind mindestens anderthalb Stunden geblieben und haben, während sie Buttons produziert haben, von ihrer Lebenssituation und ihren Zukunftsplänen und Träumen berichtet. Da wird deutlich, dass die Themen für die die Kampagne steht, wichtige Lebensbereiche der Jugendlichen berühren und dass Begriffe wie Akzeptanz, Toleranz und Vielfalt nicht einfach bloße Schlagworte sind. Wir freuen uns Rostock im Kampf gegen einen neu entstanden Laden der rechten Szene etwas unterstützt zu haben. Am Stand der Bürgerinitiative Bunt statt braun wurden an diesem Tag zahlreiche Unterschriften gegen diesen Neonazi-Laden gesammelt. Unser besonderer Dank gilt allen Helfer/innen, die das Event möglich gemacht haben und die vom Rostocker Stadtjugendring super koordiniert wurden.

Trotz Regen also ein schöner Tag mit vielen neuen Impulsen und netten Bekanntschaften. Als wir abends unser Zelt wieder einpackten, sah der Universitätsplatz wieder leer und verlassen aus, nur eine einsame Mülltüte wehte noch im Wind über den Platz. Die haben wir dann auch noch mitgenommen.Wir hoffen, dass die Bilder des Tages die Atmosphäre des bunten Treibens einfangen konnten und dazu anregen das Thema Gleichstellung und Integration auch weiterhin nicht aus den Augen zu verlieren.



23.06.07 Hamburg Spreehafenfestival

Nach langem Vorlauf ist die Antidiskriminierungstour letzten Samstag endlich gestartet. Als Rahmen diente das Spree- hafenfestival in Hamburg, auf dem wir unseren Stand aufgebaut hatten. Schon auf der Fahrt schwammen wir mehr als das wir fuhren. Und auch bei unserer Ankunft begrüßte Hamburg uns eher von seiner nassen Seite. Es regnete in Strömen. Kaum hatten wir das Zelt jedoch fertig aufgebaut, traute sich die Sonne hervor und wir konnten unsere Liegestühle herausholen. Reggae- und Skaklänge fachten die Stimmung an und mit der Sonne kamen auch die Besucher langsam zu uns. Großes Interesse weckte unser „Toleranz Barometer“. Anhand von sieben Fragen konnten die Besucher ihre Toleranzgrenzen testen. Bei Fragen wie, „Würdest Du eine/n Rollstuhlfahrer/in daten?“ mussten sie mit Ja oder Nein abstimmen. Es entstand ein enges Rennen, die Toleranz setzte sich schlussendlich aber mit deutlichem Vorsprung durch. Um nach der Tour einen Vergleich der Ergebnisse zu ermöglichen, stellen wir am Ende jedes Tourtages ein Foto vom Barometer hier in Netz.

Besonders in den Pausen der Bands strömten nun die Zuschauer zu uns, ruhten sich in den Liegestühlen aus und begutachteten die Fächer der „Öffentlichen Schublade“. (www.aric-berlin.de) Dabei regten die Darstellungen von Reisefreiheit und Rassenlehre zum Nachdenken und Diskussionen an und sorgten für Erstaunen. Viele betrachteten danach unseren Stand genauer. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch unsere Tattoos, Luftballons und Fahrradbänder.
Als wir gegen Abend mit dem Abbau begannen, überlegte es sich der Himmel noch einmal und weinte uns einige Tränen hinterher. Wir bedanken uns bei der Organisation des Spreehafenfestivals für den gelungenen Auftakt und die freundliche Unterstützung.

Unsere Abfahrt verwunderte noch den Zoll, der uns beim Verlassen des Freihafens kontrollierte. Wir wurden sehr misstrauisch gefragt, was wir denn alles Seltsames dabei haben. Besonderen Argwohn erweckten unsere großen roten Sitzsäcke. Ohne Leibesvisitation, stattdessen mit einem netten Gruß, rauschten wir in die Hamburger Nacht hinein…